Ortschaftsrat und Gemeinderat stimmen zu – historische Entscheidung für einen Windpark als Gemeinschaftsprojekt
„Das ist Klimaschutz im engsten interkommunalen Kreis“ – so plädierte die Gemeinderätin der Härtenliste, Vera Ambros, für das zur Entscheidung stehende Projekt der Stadtwerke Tübingen auf zwei Gemarkungen. Mit den Stimmen der versammelten Räte beider Gremien bekam es sodann auch grünes Licht. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Der Beschluss ist zwar ein weiterer wichtiger Schritt im Antragsverfahren, das zu Beginn des neuen Jahres abgeschlossen sein soll. Ob dann auch die Genehmigung erfolgt, steht hingegen noch in den Sternen. Sollte dann doch alles glatt laufen, so würde auf Wankheimer Gemarkung, im Waldgebiet unweit der Erddeponie „Schinderklinge“, eine Windkraftanlage vom Typ Vestas V172 mit 175 m Nabenhöhe gebaut werden. Rechnet man noch die Rotorabmessung hinzu, kommt man auf eine Gesamthöhe von 260 m. Allerdings ist eine solche technologisch hochentwickelte, moderne Anlage hervorragend geeignet, auch auf sogenannten Schwachwindstandorten wirtschaftlich zu arbeiten. Sie hat eine Leistung von 7,2 MW und würde übers Jahr 13 bis 14 Mio kWh Strom erzeugen – genug, um damit 3.500 Haushalte zu versorgen. Der aus Tübingen angereiste Julian Klett, Projektleiter in der Abteilung „Erneuerbare Energien und Energieeffizienz“ der Stadtwerke Tübingen, überzeugte die Gremien außerdem mit detailierten Angaben, die bei der Standortplanung berücksichtigt wurden: Artenschutz, Geräusch- und Lichtemission, Verschattung, Mindestabstand zur Wohnbebauung, Zufahrtswege und Kabeltrassen, um nur einige der Kriterien zu nennen. So fiel die Wahl auf die verträglichen Standorte auf Wankheimer und Tübinger Gemarkung, wobei die Markungsfläche in Lustnau im Besitz von Kusterdingen ist. Mitentscheidend war auch die Tatsache, dass sich die Investition gerade auch für die Gemeinde Kusterdingen lohnen würde: Pachtentgeld und Gewerbesteuereinnahmen, eine direkte Beteiligung der Bürger über die zu gründende Energiegenossenschaft und die Möglichkeit, preisgünstigen regionalen Windstrom zu beziehen. Nicht zuletzt sprachen sich die Räte dafür aus, Strom dort zu produzieren, wo er auch gebraucht wird. Dadurch entfallen nicht nur hohe Kosten für den weiteren Netzausbau. Man will auch ein Zeichen setzen und dem Vorurteil begegnen, dass die Bürger in Ballungsgebieten zwar die Energiewende gut heißen, dafür notwendige Anlagen aber nicht in Sichtweite haben wollen. Der ebenfalls anwesende Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßte dann auch die Beschlussfassung mit den Worten, er schätze sich glücklich, dass nun der Weg für die zügige Realisierung des „ersten Windparks in unmittelbarer Nähe von Tübingen als Gemeinschaftsprojekt“ frei geworden sei.

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11 thoughts on “Gemeinde- und Ortschaftsratssitzung am 3. Mai 2023

  1. Ich möchte noch erwähnen, dass die Windkraftanlage Vestas V172 eine KI-gestützte Abschalteinrichtung aufweist, die beim Anflug geschützter Vogelarten und bei der Annäherung von Flugzeugen bei Nacht ausgelöst wird. Im ersten Fall kommt der Rotor sofort zum Stillstand, im zweiten wird die Lichtsignalanlage auf dem Maschinenhaus eingeschaltet.
    Axel

    1. Ich denke, dass diese Abschalteinrichtung nur optional eingebaut wird und nicht der Standard ist. Soweit ich weiß müsste extra ein Radar/Lidar Gerät eingebaut und betrieben werden. Das rentiert sich nur falls die Genehmigungsbehörden Abschaltungen anfordern, soweit ich weiß.
      Oder haben sie andere Informationen?
      Schicken Sie gerne eine Quellenangabe zur Anlage.
      Grüße

      1. Und die wollen kein Geld verdienen mit einer Anlage auf ihrem Grund? Das ist doch in der Regel ein sehr lukratives Geschäft für die Eigentümer.
        Wem gehört denn die Waldfläche?

        1. Zu den zurückgestellten Standorten: Wahrscheinlich ist eine Koordination zwischen den vielen privaten Landbesitzer nicht so einfach. Wünschenswert wäre, wenn einige private Besitzer die Initiative ergreifen !

          Die von dem Gemeinderat und dem Ortschaftsrat bewilligten Standorte sind im öffentlichen Besitz. Einer ist auf Wankheimer Gemarkung, der zweite auf der Gemarkung der Stadt Tübingen, aber das Land gehört der Gemeinde Kusterdingen. Der dritte Standort ist auf Tübinger Gemarkung und auch im Besitz von Tübingen.

          1. Ja das ist richtig. “Nicht so einfach”. Einerseits eine Chance für die Beteiligung und Akzeptanz der Bürger, aber andererseits auch, so habe ich es bei Windparkprojekten, die ich betreut habe auch erlebt, ein Grund für Spannungen innerhalb der Bevölkerung, Weil “EigentümerInnen” der benötigten Flächen finanziell erheblich profitieren und sich eine goldene Nase verdienen, während andere nur “die Schattenseiten” bekommen.
            Das Geld.
            Hoffen wir, dass es die Gemeinden endlich gemeinwohlorientiert einsetzen werden.

  2. Hallo Joscha,
    bezüglich der Abschalteinrichtung habe ich die Information wiedergegeben, die ich während der Gemeinderatssitzung von Herrn Julian Klett, Stadtwerke Tübingen, bekommen habe. Herr Klett koordiniert das Antragsverfahren für den Windpark. Ich gehe davon aus, dass eine Abschalteinrichtung tatsächlich auch beantragt wird, wenn er das gegenüber dem Gemeinderat so in Aussicht stellt. Was am Ende genehmigt wird, weiß im Moment niemand so genau …

    1. Hallo Axel,
      Danke für die Antwort. Interessant zu hören. Ich war selber in diesem Bereich tätig und erinnere mich, dass die Mehrkosten, die diese Abschalteinrichtungen kostet, nie augebracht wurden. Auch wenn mein Engagement mehr als 5 Jahre zurück liegt, wäre es für mich erstaunlich, falls sich das mittlerweile gerändert hat….. Es riecht mir ein bisschen, nach falscher Hoffnung machen, dass die Anlagen auf jeden Fall diese Abschalteinrichtung haben oder nur blinken wenn sich Fluggeräte nähern.
      Ich würde Ihnen daher raten, diesen Punkt noch einmal anzusprechen und ggfs auch den Hersteller und die Genehmigungsbehörde anzusprechen.
      Wir bewegen uns im Projektgeschäft …..

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