In den letzten Wochen hat sich die Bürgerinitiative „Pro Natur Härten“ gebildet, die sich für ein „Nein zum Windpark Großholz“ in den Gemeinden Tübingen und Kusterdingen einsetzt. In einem Flugblatt und auf ihrer Homepage (https://pronaturhaerten.de/) präsentiert diese Bürgerinitiative ihre Argumente, warum sie gegen einen Windpark auf den Härten ist. Im Folgenden möchte ich auf den Wahrheitsgehalt von vier Argumenten eingehen.
Windkraft raubt mir den Schlaf
Im Flugblatt steht: Windkraftanlagen der neuen Generation sind mit bis zu 106,5 dB (Dezibel) lauter als ein Presslufthammer (100 dB) oder eine Autobahn (95 dB). Schlaflose Nächte, Müdigkeit, Konzentrationsstörung und Depressionen können die Folge sein. Diese Aussage wird mit dem Bild einer Frau illustriert, die verzweifelt mit dem Kopfkissen ihre Ohren abdeckt.
Zur Wahrheit gehört, dass es für Windkraftanlagen klare baurechtliche Vorschriften gibt, die den erlaubten Geräuschpegel festlegen. In diesen Auflagen ist festgelegt, dass die zulässige Geräuschbelastung durch Windenergieanlagen zwischen 35 Dezibel in reinen Wohngebieten und 45 Dezibel in Mischgebieten liegt. 35 Dezibel entsprechen in etwa einem menschlichen Flüstern. 45 Dezibel kann man mit üblichen Geräuschen in einer Wohnung vergleichen. Der Bau einer Windenergieanlage ist an diese Anforderungen gebunden und ist eine der Grundlagen für die Genehmigung einer Windenergieanlage (https://www.swtue.de/energie/strom/erneuerbare-energien/faq-windkraft.html).
„Pro Natur Härten“ sollte dies in ihrer Argumentation korrekt darstellen, um den Vorwurf von Panikmache zu vermeiden.
Klimakiller in Windkraftanlagen
Auf ihrer Homepage (https://pronaturhaerten.de/klimakiller-in-windkraftanlagen/) verweist „Pro Natur Härten“ auf die Tatsache, dass in Windkraftanlagen Schwefelhexafluorid verwendet wird. Dieser Stoff hat die 22.800-mal so starke Treibhauswirkung wie die identische Menge Kohlendioxid (CO2).
Schwefelhexafluorid wird als Isoliergas in gasisolierten Schaltanlagen, wie sie auch in Windrädern vorkommen, eingesetzt. Es findet aber auch unter anderem in der Medizin Anwendung. Nach Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Schwefelhexafluorid#Klimarelevanz) sind im Jahr 2019 0,00001 ppm (parts per million) Schwefelhexafluorid in der Atmosphäre gemessen worden, was 0,2 ppm CO2 entspricht. Da zurzeit etwas über 400 ppm CO2 in der Atmosphäre sind, ist der Beitrag von Schwefelhexafluorid mit weniger als 1 Promille noch überschaubar. Zu Recht will die EU aber den Einsatz von Schwefelhexafluorid verbieten, um diese Quelle von Treibhausgas in Zukunft zu vermeiden.
„Pro Natur Härten“ hätte eine sachgerechte Recherche machen sollen, um das Risiko von Schwefelhexafluorid in den richtigen Proportionen darzustellen.
Zufahrtsstraßen zu den Windanlagen müssen 15 m breit sein
„Pro Natur Härten“ behauptet, dass die Zufahrtsstraßen zu jeder einzelnen Anlage 15 m breit sein muss (https://pronaturhaerten.de/so-koennte-es-kuenftig-aussehen/).
Julian Klett, Abteilungsleiter Erneuerbare Energien (Stadtwerke Tübingen), sagt auf Anfrage, dass diese Aussage nicht richtig sei und erläutert: Die Wege sind in der Regel vorhandene (ggf. ausgebaute), geschotterte Forstwege. Die Breite der Wege liegt bei maximal 5 Meter (in der Regel weniger). Das sieht man auch auf den Luftbildern von bestehenden Windparks im Wald.
„Pro Natur Härten“ sollte seine Behauptung zurücknehmen, um nicht seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Windsterben durch Windkraft
Auf der Homepage von „Pro Natur Härten“ findet sich folgendes Zitat: Die hohe Windraddichte verändert die Westwindwetterlagen „Die Westwind-Wetterlage, die seit Menschengedenken Nordwesteuropa und Mitteleuropa hinreichend mit Niederschlägen versorgt hat, ist künstlich abgeschaltet worden.“, sagt die Historikerin und Autorin Dagmar Jestrzemski. Sie ist dem Dürreproblem der letzten Jahre nachgegangen und hat dabei eine mögliche überraschende Ursache gefunden. Die Westwindwetterlagen, notwendig für Regen und Pflanzenwachstum, bleiben zunehmend aus (https://pronaturhaerten.de/category/natur/).
Die Abnahme der Windgeschwindigkeit lässt sich durchaus messen, besonders bei Offshore-Windparks, wo viele Anlagen auf kleiner Fläche stehen. Dieser direkte Einfluss der Windräder löst sich allerdings bereits nach wenigen Kilometern wieder auf. Die fehlende Energie wird sehr schnell wieder von oben und von den Seiten ausgeglichen, da ja bis in 10 km Höhe große Windkräfte vorhanden sind und auch 300 m hohe Windanlagen im Vergleich winzig sind. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Windkraftanlagen und der gemessenen Verringerung der generellen Windgeschwindigkeiten. Die entnommene Energie hat nur lokale Auswirkungen bei großen Windparks und spielt auch dort schon nach wenigen Kilometern keine Rolle mehr. Als Hauptverursacher für das Windsterben in den mittleren Breiten gilt der Klimawandel https://www.mimikama.org/kein-windsterben-durch-windkraft/.
„Pro Natur Härten“ sollte sich bemühen, mit zuverlässigen Quellen zu argumentieren.
Der Punkt Windsterben ist wirklich an den Haaren herbeigezogen:
Der Wind der bis zu einer Höhe von 1000m über das Kustendinger Gemeindegebiet zieht, hat eine Jahres-Windenergie von ca. 13000 GWh. Davon ernten die 3 Windräder gerade mal 30GWh, also 0,23%.
Zu behaupten, der Wind stirbt durch die Windkraftanlagen ab, wäre so als wenn jemand behaupten würde, der Wasserfluss in Neckar käme zum stehen, weil jemand in Tübingen einen Stein mit 40cm Durchmesser hineinschmeißt !
Oder anders rum formuliert: Wenn die Windkraftanlagen alle Energie des Windes über Kusterdingen in den unteren 1000m ernten könnte, wäre das im Jahr mehr elektrische Energie als der kürzlich stillgelegte Block des Kernkraftwerks Neckarwestheim pro Jahr erzeugt hat.
Guten Morgen zusammen,
Wenn ich mit vorstelle das im Bereich der B28, Schinderklinge , Großholz drei Windrad Monster gebaut werden sollen, stelle sich mir eininge Fragen nach dem Sinn.
Zum Beispiel: Kann sich jetzt jemand vorstellen wie das dann aussieht, direkt über Tübingen.
Zum Vergleich: Der Fernsehturm in München ist mit 291 Metern, nach dem Nürnberger Fernsehturm, Bayerns zweit höchstes Bauwerk. Das in ähnlicher Größe drei mal neben und über Tübingen. Geht´s noch?
Unabhängig davon glaube ich nicht, dass in unserer Region Windkraftanlagen wirtschaftlich betrieben werden können. Sicher kann man Statistiken bemühen und sich alles schön rechnen. Wenn aber schon im Vorfeld, mit neuester Technologie für Sachwachwind-Regionen geworben wird sagt mir das viel. Mit Wind kann Strom erzeugt werden, ja, kommt darauf an wo. Net bei uns.
Der Vergleich mit der, bösen, bösen Kernkraftenergie ist dämlich und falsch. Kernkraftwerke sind grundlastfähig, wie Gas, Kohle, Öl, Holz und vielleicht Erdwärme. Wenn wir Technologien verbessern und noch umweltfreundlicher machen wolle dann diese. Dort brauchen wir Geld für Forschung und Entwicklung. Nicht bei teurem Spielzeug.
Da füllen sich alle Beteiligten primär die Taschen. Den KOLLATERALSCHADEN tragen dann Andere. Sauber….
Die Energiewende in Deutschland ist bereits komplett gescheitert. Macht es nicht noch schlimmer. Betrachten wir doch mal die Situation der Windkraftindustrie wie Siemens Gamesa, Orsted, Vestas, Nordex…….. Die Windanlagen- und Turbinenbauer waren zuletzt mit den enorm gestiegenen Kosten für Materialien, Komponenten, Logistik und Energie konfrontiert.
Die meisten Bauteile kommen Woher? => Aus China. Warum weil in Europa systematisch die Zulieferindustrie zerstört wird.
Die Logistik ( Straßen, Schiene, Wasserwege) ist für die Erstellung der Großanlagen in Deutschland nicht ausgelegt. Und so weiter.
Grüße, Gerald Wölz
….wir können ja dann gerne die Castoren und Uranmüllfässer bei ihnen im Vorgarten deponieren.
J.Ferber
Hallo Gerald,
eine nette Aufzählung der Nachteile von Windkraft. Sowas kann man von jeder Technologie machen.
Die wichtige Frage ist aber: Welche Alternativen gibt es?
Was bleibt ist Sonne und Wind. Ich sehe keine Alternative mit der wir unseren Lebensstandard aufrecht erhalten können. Nicht zuletzt auch um das Abwandern von energieintensiven Industrien aufzuhalten. Wir können ja nicht damit zufrieden sein, dass wir mit unserem Strompreis Wirtschaftswachstum an der Nordsee und im fernöstlichen Ausland finanzieren.
Das Scheitern von Wind und Solar sehe ich nicht. Immerhin erzeugen wir schon etwa die Hälfte unserer Elektrizität darüber. Hier gibt es noch enorme Ausbaupotentiale. Allein über der Gemarkung Kusterdingen transportiert der Wind Energien die höher sind als der Ertrag des AKW Neckarwestheim (siehe https://klimaschutz-haerten.de/3w05).
Zitat:
„Im Flugblatt steht: Windkraftanlagen der neuen Generation sind mit bis zu 106,5 dB (Dezibel) lauter als ein Presslufthammer (100 dB) oder eine Autobahn (95 dB).“
Der Laie staunt, der Fachmann rollt die Augen: hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Die 106,5 dB aus dem Windkraft-Datenblatt bezieht sich auf den SchallLEISTUNGspegel, während die beiden anderen Werte als SchallDRUCKpegel angegeben sind.
Rechnet man (http://www.sengpielaudio.com/Rechner-schallleistung.htm) die 106,5 dB Schallleistung in Schalldruck um, bleiben in 200 m Entfernung noch 51 dB (leiser als ein E-Bike), ab 1000 m sind es weniger als 40 dB – so viel wie eine leise Spülmaschine.
Danke für die Ergänzung.
Der Link ist sehr informativ.
Ich schreibe mal meine Gedanken zum dem Thema Windräder um das ganze auch mal noch von einer anderen Seite aus zu betrachten. Vielleicht bringt es ja neue Impulse für die Zukunft.
Was in der ganzen Diskussion viel zu kurz kommt, ist das Vorgehen von Bürgermeister, Gemeide- und Ortschaftsrat. Das sind UNSERE ersten Ansprechpartner und UNSERE Diener. Sie sollen die kommunale Politik zu UNSEREM Wohl betreiben.
In meinen Augen ist Bürgermeister Soltau geblendet von einer Welt-Rettungsfantsie. Sein Vortrag während der Informationsveranstaltung im Feuerwehrhaus Wankheim (28. November 2023) war ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Bei den Abstimmungen haben viele Räte mit Abwesenheit geglänzt. Bürgermeister Soltau freut sich über ein paar Gewerbesteuern weil die Gemeinde anscheinend klamm bei kasse sein.
Auf den Vorschlag, die Gemeinde Kusterdingen sollte doch Anteile an den Stadtwerken für die Aufstellung der Windräder erhalten um dadurch NACHHALTIG von den Gewinnen zu profitieren wird folgendermaßen ragiert: (Sinngemäß) „Schön das Sie so viel Vertrauen in das Projekt haben.“ „Die Verträge der Stadtwerke lassen es nicht zu Anteile an Kusterdingen zu geben“
==> Dann ändert doch die Satzung!!!
Warum kommt im Gemeinderat keiner auf diese einfache Idee? Warum macht man sowas nicht zur Bedingung? Wenn OB Palmer die Windräder so wichtig sind sollte eine Satzung/Vertragsänderung bei den Stadtwerken doch kein Hinderniss sein.
Das komplette ablehnen eines Bürgerentscheids von Bürgermeister Soltau kann man verstehen. Die Gründe welche Er angibt sind aber Fadenscheinig: (Sinngemäß) „In der parlamentarischen Demokratie entscheiden die gewählten Volksvertreter.“
Auch in einer parlamentarischen Demokratie sind Bürgerentscheide sinnvoll und legitim.
Insbesondere dann, wenn die Folgen einer Entscheidung so weitreichend sind. Immerhin werden die Windräder von der Teck bis zum Hohenzollern die Aussicht beeinflussen.
Aber entweder fehlt Bürgermeister Soltau das notwendige Gespür wann so ein Bürgerentscheid angebracht wäre, oder er hat Angst vor dem Ergebnis eines Solchen.
Ich fürchte es ist etwas von beidem.
UNSERE Gemeindevertreter sind offensichtlich nicht in der Lage trotz stetigem Wachstum von Einwohnern, Gewerbe- und Wohn-Gebieten einen soliden Haushalt hinzustellen. Es wurden dutzende Bauplätze verkauft in den letzen Jahren. Zu Rekordpreisen.
Die Abstimmung zu den Windrädern erfolgte mit ca. 50% Anwensenden Räten. Die Verträge mit den Stadtwerken findet man bis heute nirgens öffentlich zugänglich. Schöne Demokratie haben wir da.
Das passt dann auch wieder zum Gesamteindruck den UNSERE Vertreter in dieser Sache hinterlassen.
Ich finde: Kusterdingen wurde viel zu billig verkauft. Egal ob die Windräder am Ende gebaut werden oder nicht.
Danke für die ausführliche Antwort.
Leider nennst Du den eigenen Namen nicht. Das finde ich schade.
Den Eindruck, dass die Mitglieder des Gemeinderats leichtfertig Entscheidungen treffen kann ich nicht teilen. Ich war in den letzten Jahren in vielen öffentlichen Sitzungen als Gast anwesend und kann sagen, dass in den Diskussionen die verschiedenen Blickwinkel zur Sprache kommen. Auch wenn ich das Abstimmungsergebnis nicht immer gut finde, muss ich trotzdem den Entscheidungsprozess anerkennen.
In diesem Jahr gibt es wieder Wahlen und ich weiß von vielen Parteien und Listen, dass sie händeringend nach Kandidaten suchen. Eine Chance, hier direkt mitzumachen.
Gruß Josef
Hallo Anonymos
Die ca. 50% anwesenden Räte bei der Abstimmung am 3. Mai 2023 waren laut Protokoll 11 von 18 Räten. 7 waren beurlaubt (https://www.kusterdingen.de/de/Rathaus/Gemeinderat/Gemeinderatsprotokolle).
In der Abstimmung haben 10 mit ja gestimmt und 1 mit nein. Es gab eine Enthaltung. Es ist eine Stimmabgabe mehr als anwesende Gemeinderatsmitglieder, da auch der BM Soltau stimmberechtigt ist.
Nach geltender Satzung hätte ein Bürgerbegehren innerhalb von 3 Monaten nach dem Gemeinderatsentscheid eingereicht werden müssen.