Definition einer Fahrradstraße:
Eine Fahrradstraße ist eine für den Radverkehr vorgesehene Straße. Laut StVO dürfen Fahrradstraßen nur vom Radverkehr genutzt werden, es sei denn, Zusatzzeichen erlauben eine Nutzung auch von anderen Verkehrsarten. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h und Radfahrende dürfen nebeneinander fahren.
Kriterien für die Einrichtung einer Fahrradstraße
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung vom 15.11.2021 dürfen Fahrradstraßen auf Straßen
- mit einer hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte,
- mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder
- mit lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr
eingerichtet werden.
In der Praxis zeigt es sich, dass eine Fahrradstraße in mehr als 95% auch für andere Verkehrsteilnehmer freigegeben wird. Gerade in den ländlichen Räumen bieten „Schleichwege“ ein Potential für den strukturierten Radverkehrsausbau, sowohl für den Alltagsradverkehr, als auch dem Radtourismus abseits von verkehrsreichen Straßen (https://rad.sh/fahrradstrassen/#1648215703740-38a9c2d5-f161 ).
Kennzeichnung der Fahrradstraße
Die Beschilderung einer Fahrradstraße erfolgt durch das Verkehrszeichen 244.1 (Beginn einer Fahrradstraße) und das Verkehrszeichen 244.2 (Ende einer Fahrradstraße).
Breite einer Fahrradstraße
In den „Musterlösungen für Radverkehrsanlagen in Baden-Württemberg, Gestaltung von Fahrradstraßen“ (Musterblatt 6.3-2) (https://www.aktivmobil-bw.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Musterloesungen_RadNETZ.pdf) ist als Regelmaß eine Fahrbahnbreite von 4,00 m vorgegeben, wobei das Mindestmaß 3,50 m betragen soll und punktuelle Engstellen bis zu 3,00 m breit sein sollen.
Ein Rechtsgutachten für eine Fahrradstraße außerorts durch den ADFC sagt, dass sogar auf einer Kreisstraße eine Fahrradstraße eingerichtet werden kann. (https://gruene-ebersberg.de/fileadmin/Speicherplatz/bayern/kv_ebersberg/Redaktion/OV_Glonn/downloads_2021/Fahrradstrasse_ausserorts_auf_Kreisstrasse-1.pdf)
Vorteile von Fahrradstraßen
- Fahrradstraßen außerorts erlauben den Aufbau von sicheren Radverbindungen zwischen Ortschaften.
- Fahrradstraßen sind im Vergleich zu Radwegen schnell und kostengünstig umsetzbar.
- Eine Fahrradstraße setzt Anreize anstelle des Autos das Fahrrad zu benutzen.
Beispiele von Fahrradstraßen außerorts
* Immenstaad nach Hagnau (Bodenseekreis)
Auf dieser 2 km langen Strecke sind nicht nur Fahrräder unterwegs, sondern auch Autofahrer, die etwa zum Hagnauer Strandbad, einem der Campingplätze oder auch zum Hafen Kirchberg fahren. Baumaßnahmen gab es an dieser Strecke keine. (https://www.suedkurier.de/region/bodenseekreis/bodenseekreis/Neue-Fahrradstrasse-im-Bodenseekreis-Das-aendert-sich-auf-dem-zwei-Kilometer-langen-Streckenabschnitt-fuer-Radler-und-Autofahrer;art410936,10143880 )
* Reutenen nach Gießenbrücke (Bodenseekreis)
Diese 2,4 km lange Fahrradstraße ist einer Umwidmung einer alten Bundesstraße und dient für Schülerinnen und Schüler, Pendlerinnen und Pendler sowie den touristischen Radverkehr. Sie stellt eine sicherere Verbindung zwischen beiden Ortsteilen dar und ermöglicht den Anschluss an weitere wichtige Radstrecken im Osten des Landkreises. Durch die entsprechende Beschilderung dürfen PKWs und Motorräder diese Straße weiterhin benutzen, wobei aber die Verkehrsregeln einer Fahrradstraße gelten. (https://www.bodenseekreis.de/aktuelles/artikel/2022/07/fahrradstrasse-zwischen-reutenen-und-giessenbruecke-offiziell-eingeweiht/)
* Dingelsdorf nach Litzelstetten (Bodenseekreis)
Diese Fahrradstraße ist höchstens 4 Meter breit und dient als sichere Verbindung zwischen den Ortsteilen und in die Innenstadt von Konstanz. (https://www.konstanz.de/service/presse/pressemitteilungen/bodenseeradweg+zwischen+staad+und+wallhausen+aufgewertet)
* Lollar nach Staufenberg (Landkreis Gießen)
Da aufgrund der geringen Fahrbahnbreite (etwa 4,10 Meter), der zum Teil engen und unübersichtliche Kurven und den hohen Geschwindigkeiten es immer wieder zu gefährlichen Situationen oder zu vermeidbaren Verkehrsunfällen kam, wurde die Kreisstraße zur Fahrradstraße deklariert. Da nach einer Probephase von 6 Monaten die Zahl der PKW und Motorräder auf der Strecke sowie die Geschwindigkeit insgesamt sank und der Radverkehr stetig zunahm, wurde die K29 dauerhaft als Fahrradstraße eingerichtet. Motorisierte Fahrzeuge können sie weiterhin nutzen, Vorrang haben jedoch Fahrräder. (https://www.lkgi.de/aktuelles/mobilitaet/auf-der-k-29-hat-auch-kuenftig-der-radverkehr-vorrang/)
* Memmingen (Unterallgäu)
Diese Fahrradstraße wurde eingerichtet, da die Straße sehr schmal ist und der motorisierte Verkehr im Begegnungsfall regelmäßig in die Bankette ausweichen musste. Dies ist zum einen gefährlich und bedeutet zum anderen einen sehr hohen Instandhaltungsaufwand. https://www.lokale-mm.de/news/verbesserungen-f%C3%BCr-den-radverkehr/
Die Argumente des Landkreises Tübingen, Abteilung Verkehr und Straßen, gegen die beantragte Fahrradstraßen von Wankheim nach Kusterdingen
* Das Landratsamt fordert eine Mindestbreite einer Fahrradstraße von 5 Metern, sobald Kraftfahrzeuge und/oder landwirtschaftlicher Verkehr ebenfalls zugelassen werden sollen. Dies ergebe sich aus der Notwendigkeit, dass eine Mindestfahrbreite pro Fahrbahn von 2,50 m erforderlich sei (StVO). Dies ist eine eigenwillige Interpretation des Landratsamtes und widerspricht der Praxis in anderen Landkreisen.
* Das Landratsamt ist der Meinung, dass bei geringeren Breiten grundsätzlich eine erhebliche Verkehrsgefährdung bestehe und im Falle eines Unfalls auf die Behörde Rückgriff genommen werden könnte. Das Amt berücksichtigt nicht, dass die bestehenden schmalen Straßen auch jetzt von Fahrrädern und Kraftfahrzeugen genutzt werden, wobei aber die Höchstgeschwindigkeit 100 km/h beträgt.
* Das Landratsamt sagt, die Einrichtung einer Fahrradstraße sei „nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist, weil eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs besteht.“ Aber Fahrradstraßen dienen nach StVO nicht nur der Gefahrenabwehr, sondern auch der Förderung des Radverkehrs.
* Das Landratsamt behauptet, „die mit der Anordnung bezweckte Wirkung, nämlich der Schutz des Radverkehrs, wird durch die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung besser erreicht.“ Es ignoriert dabei, dass in einer Fahrradstraße eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gilt, während in der jetzigen Situation die Außerortshöchstgrenze von 100 km/h besteht, die ein deutlich höheres Gefahrenpotential hat.
Fazit
Herr Gregor Gaffga (Verkehrsplaner, Schwerpunkt Radverkehr beim VCD), dem ich für viele Hinweise zu dieser Thematik danke, schreibt mir abschließend: “Es muss nicht weiter bewiesen werden, was meines Erachtens klar ist: Fahrradstraßen außerorts sind zulässig und in Deutschland bereits weit verbreitet. Die Rechtsgrundlagen sind keine Ländersache, sondern Bundesrecht und gelten für alle Straßenverkehrsbehörden gleichermaßen.”