Die Arbeiten in der Zukunftswerkstatt „Den Wandel Mitgestalten“ (https://klimaschutz-haerten.de/2022/zukunftswerkstatt-war-ein-voller-erfolg/), am Samstag, 5.11.2022, im Dorfgemeinschaftshaus in Jettenburg, wurden durch einen Impulsvortrag inspiriert. Als Redner war Reinhold Behr virtuell zugeschaltet. Herr Behr ist einer der Hauptinitiatoren der Gemeinde Großbardorf in Unterfranken (Nordbayern), die die Gemeinde nahezu zur Energieautarkie und CO2 Neutralität geführt haben.
Großbardorf
So begann alles mit der Frage „Wie schaffen wir es in unserer Gemeinde, Gemeinschaftsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien mit möglichst vielen Bürgern auf den Weg zu bringen?“ – denn eine breite Zustimmung muss erreicht werden und dafür müssen individuelle Vorteile für die Mitbürger durch die entstehenden Projekte ersichtlich werden. So schreibt der lokale Darlehnskassenverein, der die Finanzierung des Nahwärmenetzes für die Einwohner attraktiv gemacht hat, sich direkt auf die Fahnen: „Das Geld des Dorfes dem Dorfe.“
Auch wenn Großbardorf mit aktuell etwa 930 Einwohnern zwar deutlich kleiner ist als unsere Gemeinde (aktuell etwas 8730 Einwohner) konnte Herr Behr doch vermitteln, was für einen erfolgreichen Weg in Richtung Energieautarkie und CO2 Neutralität notwendig ist. Eines sind sicherlich Personen, die mit Herzblut und vollem Engagement dabei sind. Viel wichtiger aber ist die Gemeinschaft – frei nach dem Motto von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen: „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele“ – wie Herr Behr betont.
Projekte in Großbardorf
Schon 2005 wurde ein erstes Bürgersolarkraftwerk gebaut. Diesem folgten über die Jahre mehrere weitere Anlagen – sowohl auf Freiflächen als auch auf Dächern und auch der relativ großen Tribüne des lokalen Fußballvereins (TSV Großbardorf, aktuell fünfte Liga). Das größte, ganz lokale Projekt, über das Herr Behr berichtet, war die Umsetzung eines Nahwärmenetzes im Jahr 2011, das hauptsächlich durch Biogas gespeist wird (über 95%). Auf der einen Seite profitieren die Bürger durch geringere Wärmekosen (kW Preis), weniger Nebenkosten (nahezu keine individuellen Wartungskosten), geringere Baukosten (keine eigene Heizung notwendig) und – nicht zu Letzt – durch die Beteiligung an der Biogasanlage selbst, vermittelt durch eine eigene Energiegenossenschaft mit sicheren und relativ hohen Renditen. Auf der anderen Seite profitieren die Bauern vor Ort durch eine sichere Abnahme eines Teils ihrer Erzeugnisse – neben Mais (~50%) werden auch Mist und Gülle (~30%), Pflanzsilage, Gras, Luzerne und Klee (~20%) genutzt – verdienen durch die Stromerzeugung (Verbrennung des Biogases) und profitieren wiederum durch den Dünger, der in der Biogasanlage natürlich entsteht. In der Tat produzieren die Bakterien in der Anlage Methan – den Energielieferanten für die Biogasanlage. Der Rest wird zu sehr nährstoffreichem, natürlichem Dünger, der wieder auf die Felder ausgetragen werden kann – und „so schließt sich der Kreislauf“, betont Herr Behr. Nicht zuletzt kann die Wärme der Anlage im Sommer auch für die Trocknung, zum Beispiel, von Getreide und Hackschnitzel effektiv genutzt werden.
Die Dorfgemeinschaft
Auch wenn die notwendige Überzeugungsarbeit in der Gemeinde zunächst eine Herausforderung war, haben am Ende alle profitiert, betont Herr Behr. Solche gemeinsamen Projekte fördern die Gemeinschaft – und führen die Gemeinde als Ganzes in die Unabhängigkeit von Großkonzernen und andern unkontrollierbaren Mächten dieser Welt. Seit 2016 hat Großbardorf auch vier 4 Windräder (140m Nabenhöhe, je 3.3 MW Nennleistung), in diesem Fall mit einer 25% Beteiligung des Dorfes selbst.
Das alles geht nur, wenn man so viele Einwohner im Dorf mitnimmt wie möglich, sie an den Projekten beteiligt und den Kuchen teilt. Und natürlich ist auch die Abstimmung mit dem Bürgermeister und den Gemeinderäten essentiell. Denn erneuerbare Energien sind nicht nur gut für die Umwelt und das Klima, sondern vor allem auch die günstigsten Energieträger und das nicht mehr nur lang und mittelfristig, sondern nun auch hoch aktuell hier und jetzt – aufgrund der globale Energiekriese.
Vor zehn Jahren, im Jahr 2012, wurde Großbardorf zum Bioenergiedorf im Rahmen des Bundeswettbewerbs Bioenergie-Kommunen der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. gekürt. Können wir Kusterdingen auch gemeinsam in diese Richtung führen? Sie haben Interesse oder gar Teil-expertise, bei einem solchen Unterfangen mit zu wirken?
Weitere Informationen
Für weitere Informationen hat Reinhold Behr freundlicherweise seine Vortragsfolien zur Verfügung gestellt:
One thought on “Zum Vortrag Umsetzung der Energiewende in Großbardorf – Implikationen für Kusterdingen”